Montag, 11. September 2023

"Der Mensch ist kein Vegetarier sondern ein Allesesser."

Das möchte ich einmal präzisieren:

Der Mensch IST aus biologischer und historischer Perspektive ein Allesfresser. Das heißt aber nicht, dass er IMMER ALLES in sich reingestopft hat, vor Allem nicht immer Fleisch. Zuerst waren wir, bis etwa 12000 vor heute, Jäger und Sammler. Da wurde alles gesammelt und gegessen, dessen man gefahrlos habhaft werden konnte. Also Beeren und andere Früchte, Nüsse, Knollen, Grassamen, Vogeleier, Insekten und Kleintiere. Vielleicht ab und zu mal ein größeres Wildtier, aber die zu erlegen war schwierig. Im Winter gerne auch öfter Fleisch, denn da gab es kaum andere Nahrung. Aber die Legende vom Urmenschen, der zweimal täglich ein halbes Mammut verschlungen hat, ist ein Märchen. Fleisch war in dieser Zeit ein knappes und wertvolles Gut.

Mit Erfindung des Ackerbau vor 12000 Jahren wurde der Fleischanteil in der Nahrung zunächst knapper. Es gab auf dem Acker genug zu tun, deshalb war zum Jagen keine Zeit. Die Tierzucht wurde aber erst mehrere tausend Jahre später erfunden. Schlechte Zeiten für den Grillfan.

Mit der Erfindung der Tierzucht wurde der Fleischanteil bei den meisten Menschen - und das waren in dieser Zeit einfache Bauern - auch nicht schlagartig riesengroß. Tiere mit extra dafür angebautem Futter durchzufüttern, nur um sie dann eines Tages essen zu können, konnten sich die meisten Bauern nicht leisten, denn der Input an pflanzlichen Proteinen als Futter ist etwa zehn mal so hoch wie der Output an Fleisch. Vielmehr wurden Tiere so ausgewählt, dass man sie mit dem füttern konnte, was an pflanzlicher Nahrung übrig blieb oder für den Menschen nicht verdaulich ist. Also hielt man ein paar Hühner für die Küchenabfälle, eine Sau, vielleicht ein paar Ziegen oder Schafe und vielleicht ein Pferd als Zugtier. Fleisch war rar und kostbar. Und wenn ein Huhn keine Eier mehr legte, kam es in den Suppentopf, aber erst dann! Es nur für die Fleischerzeugung zu halten, wäre den Bauern über viele tausend Jahre nicht in den Sinn gekommen. Und einmal im Jahr wurde eine Sau geschlachtet. In Ermangelung von Kühlmöglichkeiten wurde das Tier sofort verarbeitet und im ganzen Dorf verteilt, es gab ein großes Fest - das Schlachtfest. Vielleicht wurde an Weihnachten noch eine Gans geschlachtet. Fleisch war rar und kostbar, sein Verzehr stellte die Ausnahme dar, nicht die Regel. Und das Jagen von Wild war spätestens seit dem Mittelalter dem Adel vorbehalten.

Und so ging das eigentlich bis in die Neuzeit weiter. Der womöglich tägliche Verzehr von Fleisch ist dem Menschen zwar biologisch möglich, war aber (fast) immer nur einer kleinen, privilegierten Minderheit vorbehalten. Es ist also nichts "unnatürliches", wenn Kinder im Kindergarten nicht mit Fleisch gefüttert werden, zumal sie ja an zwei weiteren Mahlzeiten pro Tag weiterhin Fleisch essen können und auch dürfen. (und das ist immer noch viel, viel mehr, als die Menschen über Jahrtausende an Fleisch oder Wurst verzehrt haben!) Es ist auch nicht "krank" weniger Fleisch zu essen, sondern nachweislich gesund. Und von "Zwang" kann hier auch nicht die Rede sein. Jeder kann bestellen, was auf der Speisekarte steht. Und wenn da ab jetzt keine Fleischgerichte mehr drauf stehen, dann nimmt man halt etwas Anderes.

Und jetzt lasset den Shitstorm auf mich herabregnen!

P.S.: Nicht schwer zu erraten, dass dieser Kommentar eine Antwort in einem Thread war, in dem sich harcore-Griller aufregten. Konkret: Über eine Meldung, dass es in Zukunft in Freiburgs Grundschulen keine Fleischgerichte mehr gibt. Die Worte und Sätze in Anführungszeichen (inclusive der Überschrift) sind wörtliche Zitate aus deren Kommentaren. Zu einem Shitstorm kam es bis jetzt nicht. Wenn man den Leuten so etwas vernünftig erklärt, verstehen sie das eigentlich immer. Und wenn man es mit sicheren Argumenten so ausführlich macht, dann trauen sich die, die es nicht verstehen zumindest nicht, zu widersprechen. Ich nenne das eine "Nerd-Bombe".


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